Logo für 3,50? Klaaaaaar, geht das …………. nicht!
Der Post liegt mir schon länger auf der Seele und ich weiß gar nicht, an welcher Ecke ich mit dem Thema anfangen soll. Denn es ist einerseits ganz einfach, andererseits irgendwie komplex. Das Problem als solches existiert auch schon länger und ist mit ziemlicher Sicherheit nicht auf meine Branche begrenzt. Man könnte sagen, im weitesten Sinne geht es um die Wertschätzung von Arbeit. Etwas enger gefasst geht es für mich ums Überleben und um den Anspruch an mich selbst, meine Arbeit und das, was ich als Output auf die Welt loslassen will.
Gestaltung zum Discounterpreis
Ganz konkret ist es eine Sache, die mir seit etwa einem Dreivierteljahr ziemliches Kopfzerbrechen bereitet: Und zwar, dass jeder, der mal ein Grafikprogramm aufgemacht hat, sich und seine Dienste als Grafiker anbiedert … ähm … anbietet. Das alleine wäre an sich kein Problem bzw. ist es vor allem kein neues Problem. Ich könnte es gut ignorieren und das mache ich natürlich weitestgehend, auch wenn ich öfter mal eins dieser furchtbaren Ergebnisse vor die Nase bekomme und dann am liebsten schreiend im Kreis rennen würde, weil die in der Regel schon technisch so dermaßen schlecht sind, dass mich mein Ausbilder wahrscheinlich für drei Jahre im Kopierraum eingeschlossen hätte, hätte ich so was abgeliefert. Jedenfalls bringt diese lustige Entwicklung mit sich, dass immer öfter Mails in meinem Postkasten landen mit Anfragen für Logos. Das ist per se erstmal toll und wenn ich Ressourcen habe, freue ich mich auch über neue Aufträge, ABER … es gibt mit diesen Mails ein ziemlich großes Problem: Und zwar ist das die preisliche Erwartungshaltung, mit denen die Anfragenden bei mir aufschlagen. Die beläuft sich in der Regel auf unter 100, nicht selten sogar auf unter 50 Euro, weil ja „auf dawanda oder etsy auch ganz viele Menschen Logos für den Preis anbieten“.
Bevor jetzt wieder irgendwer ankommt mit „Na dann mach’s halt einfach nicht.“ – das mag für euch ein Weg sein, Konflikten aus dem Weg zu gehen, für mich ist es das nicht, weil es das Problem nämlich nicht im Geringsten tangiert. Außerdem ist mein Postfach dann auch nicht leerer. Und weil ich diesen Wald- und Wiesen-„Grafikern“ auch nicht verbieten kann, auf irgendwelchen Portalen furchtbare Fließbandgestaltung von der Stange für’nen Appel und’n Ei zu verhökern, hab ich mich entschlossen, mal grob ein wenig aufzuskizzieren, wie viel reine Arbeitszeit alleine in der Umsetzung eines Logos steckt, wenn man es denn ordentlich macht.
Von Bier und Wieseln
Beispielhaft möchte ich mich da mal an dem neusten Ergebnis aus meiner Feder entlanghangeln:
Das Logo ist eine Wort-Bild-Marke mit Tendenz zur reinen Bildmarke, weil es sehr durchgestaltet ist, und sich deshalb gut eignet. Den ganzen Ideenfindungsprozess lasse ich mal weg. Das ist noch mal ein Kapitel für sich und entweder sehr fix abgeschlossen oder auch sehr langwierig, was wiederum von einer Menge Faktoren abhängt und im Einzelfall betrachtet werden müsste. Allerdings war das zeitlich noch eins der kurzen Projekte, weil es „nur“ das Logo war, es keine Vorgaben gab und ich freie Hand hatte. Auch das wiederum kann ganz anders aussehen, was Prozesse unter Umständen sehr verlängert.
Einige wichtige Punkte noch vorweg: Ziel eines Logos sollte immer Prägnanz und Wiedererkennbarkeit sein, die auch dann erhalten bleibt, wenn das Logo irgendwo sehr klein oder in Schwarzweiß eingesetzt wird. Das klappt natürlich nicht, wenn man das Logo extrem bunt und detailreich macht (leider ist auch das eins der Hauptprobleme meiner Wald- und Wiesenfreunde). Bekannte Logos muten durchaus begründet oft sehr einfach an und erwecken vielleicht sogar den Eindruck, dass sie mal eben in 3 Minuten erstellt wurden. Diesbezüglich muss ich euch leider enttäuschen. Zu einem „einfachen“ Logo zu kommen ist ein Prozess, der oft sehr komplex ist. Die Hauptarbeit ist dabei Reduktion.
Um das mal beispielhaft zu verdeutlichen, switche ich mal kurz zu Bildern in Tangram-Art. Hier ist es auch so, dass man nach und nach auf geometrische Formen reduziert, und das so lange, bis möglichst wenig Linien übrig bleiben, das Motiv aber noch erkennbar ist.
Sehr viele und zierliche Elemente werden in einem Logo einfach irgendwann zu einem Problem, weil sie durch bestimmte Drucktechniken nicht darstellbar sind oder ähnliches. Das ist nicht mehr ganz so schlimm wie noch vor 10 Jahren, weil sich auch die ganze Technik weiterentwickelt hat, aber vorhanden ist das Problem durchaus noch. Sehr bunte Logos stellen einen mitunter auch vor die Schwierigkeit, dass Drucke sehr teuer werden aufgrund der vielen notwendigen Druckfarben oder nicht umsetzbar sind, weil mit der Drucktechnik keine Verläufe möglich sind, oder oder oder. Man sollte sich deshalb unbedingt im Vorfeld darüber Gedanken machen, wie das Logo eingesetzt werden soll, oder ob man noch eine Zweitvariante für solche Fälle braucht. Gute Grafiker besprechen daher solche Dinge im Vorfeld mit euch.
Es war einmal vor 50 Jahren….
Wie die meisten anderen Kollegen, die ich im Profibereich kenne, beginne auch ich meine Arbeit total oldschool in der Regel auf dem Skizzenblock. Das klingt jetzt nicht gerade super fancy, ist aber seit Ewigkeiten einfach die effektivste Lösung. Von den ersten Ideenskizzen bis hin zum Grobentwurf vergehen im Normalfall einige Stunden. Es können aber auch einige Tage sein – je nach Komplexität. Schriftzüge werden gefühlte 3.000 mal in 5.000 verschiedenen Varianten geschrieben, bis man dem Charakter nahe kommt, den das Logo haben soll und der das Unternehmen oder das Produkt, das es repräsentieren soll, möglichst gut widerspiegelt.
Bei dem Logo oben habe ich für den Schriftzug 10 A4-Blätter und für das Wiesel noch mal 3 vollskizziert, bis die Richtung klar war. Das hat insgesamt einen Tag in Anspruch genommen. (Schon hier sollte klar sein, dass das mit den 50 Euro einfach völlig utopisch ist, wenn man etwas Individuelles haben möchte, was nicht mal eben schnell in’ner halben Stunde aus fertigen oder halbfertigen Elementen zusammengestückelt wurde.)
Weiter geht es dann mit der Ausarbeitung. Auch diese erfolgt in der Regel noch auf Papier, da man den Charakter – vor allem bei den Schriftzügen – auf diese Weise einfach besser herstellen kann. Das Ergebnis ist eine Grobversion des zukünftigen Logos:
Nun folgt die Umsetzung am Rechner. Und zwar im Vektorprogramm, es sei denn, es ist absolut klar, dass das Logo ausschließlich digital benutzt werden wird. Den Unterschied von Vektor- zu Pixelgrafiken erkläre ich noch mal an anderer Stelle hier im Blog, wichtig ist aber: Vektoren lassen wesentlich mehr Spielraum in der späteren Verwendung. Hier auch gleich noch der Hinweis: Gibt euch der Grafiker euer Logo nur als jpg und/oder png, habt ihr schlichtweg jemanden erwischt, der euch entweder über den Tisch ziehen möchte oder keine Ahnung von dem hat, was er da tut.
Bei der Digitalisierung erfolgt neben der eigentlichen Ausarbeitung auch noch die Farbgebung und die von mir oben angesprochene Anfertigung von Varianten für beispielsweise eine Schwarzweiß-Umsetzung von farbigen Logos. Selbige ist nötig, wenn das Logo als Stempel, Branding, Prägung, Einfarbdruck oder ähnliches genutzt werden soll. Auch hier habe ich leider in den letzten Jahren feststellen müssen, dass viele Menschen, die anderen Menschen gegen Geld Logos erstellen, dies überhaupt nicht ansatzweise auf dem Schirm haben. Besteht darauf, wenn ihr euch ein Logo anfertigen lasst!
Alles in allem habe ich nach über zwei Tagen reiner Grafikarbeit also einen Ordner mit 8 verschiedenen Logovarianten (Bunt – RGB-Variante für’s Web, CMYK-Variante für den Druck, Graustufen, Schwarzweiß plus jeweils eine BackUp-Variante für die Darstellung bei wenig Platz) in jeweils bis zu 5 verschiedenen Dateiformaten (PDF, eps, tiff, jpg, png). Letzteres erkläre ich auch gerne noch mal gesondert, aber während für’s Web oft jpg oder png reicht, benötigen die von mir angesprochenen Vektordaten auch ein entsprechendes Format, um sie zum Beispiel in ordentlicher Qualität zu drucken oder sie zu vergrößern, ohne dass sie unscharf werden.
Ich geh dann mal zum Arbeitsamt…
SOOOOOOO. Ich hätte also, würde ich die Preise der Wald- und Wiesen-Stangenware-Dienstleister aufrufen, einen Tagesumsatz von um die 20 Euro. Das wäre ein sensationeller Stundensatz von 2,50 Euro von dem ich auch noch alle lustigen Ausgaben, die man als Selbständiger so hat, bezahlen muss. Das fängt beim Finanzamt an, geht von Krankenkasse über Arbeitsmittel, über Büromiete bis hin zum Notgroschen bei Krankheit. Was dann noch übrig bliebe, wäre mein Verdienst, von dem ich meine eigentlichen Lebenshaltungskosten wie Miete, Strom und Essen bestreiten muss. Wie gut das funktionieren täte, erklärt sich, glaub ich, von selbst.
Oder werde ich doch lieber der nächste Dagobert Duck?
Nein, der Hintergrund des Posts hier ist nicht, dass jeder hunderte oder tausende Euro für ein Logo ausgeben soll und das am besten bei mir. Ich wollte lediglich mal aufzeigen, dass es eben nicht geht, etwas qualitativ Hochwertiges und Einzigartiges für 3,50 Euro zu bekommen. Für 3,50 Euro bekommt man durchaus was, dann aber eher bei meinen Wald- und Wiesenfreunden als bei einem Designer, der a) sein Handwerk versteht und b) auch das entsprechende Herzblut und die Arbeitszeit reinsteckt, die sich einfach nicht wegdiskutieren lässt. Das mag schwer greifbar und in Teilen auch schwer zu verstehen sein, weil es nichts ist, was man in die Hand nehmen kann, wie in anderen Branchen.
Klar könnte ich jetzt auch anfangen, Fließbandarbeit zu machen, wahllos (halb) vorgefertigte Grafiken etc. zu nehmen (nichts anderes machen leider viele meiner Wald- und Wiesenfreunde) und die in 10 Minuten bunt zusammengewürfelt per Onlineshop als „Logo“ verjuchteln. Das wäre vielleicht sogar ein ganz netter Nebenverdienst. Ich möchte aber nicht! Ich möchte gerade bei Arbeit an einer Marke dieser auch die erforderliche Intensität und Arbeitszeit zukommen lassen.
50-Euro-Wünsche (Was im übrigen noch weniger als das ist, was ein Selbständiger als Stundensatz haben sollte!) und ich passen daher schlichtweg einfach nicht zusammen, sorry.